← Zurück zur Blogübersicht

Stellungnahme zur AWG-Novelle Kreislaufwirtschaftspaket

Wien, 08.06.2021

Im April präsentierte das Klimaschutz-Bundesministerium einen Entwurf für ein neues Abfallwirtschaftsgesetz unter dem Titel "Mehr Mehrweg für Österreich". Was wir von der AWG-Novelle halten und wo noch Verbesserungspotenzial besteht, lest ihr in unserer eingereichten Stellungnahme:

Der Ernährungsrat Wien ist eine Plattform zur Gestaltung eines zukunftsfähigen Ernährungssystems für Wien – vom Anfang bis zum Ende der Lebensmittel-Wertschöpfungskette und darüber hinaus.

Als zivilgesellschaftliche Organisation, die auf ein sozial gerechtes und ökologisch zukunftsfähiges Ernährungssystem hinarbeitet, nehmen wir im Folgenden zu denjenigen Aspekten der AWG-Novelle Stellung, die insbesondere für das Ernährungssystem relevant sind.

Insgesamt teilen wir die Zielrichtungen der Novelle in ihrer Ausrichtung auf Abfallvermeidung. Gerade im Bereich der Lebensmittelverschwendung bedarf es umfassender Informationen und Maßnahmen zur Reduktion des Lebensmittelabfalls in Haushalten, ebenso wie in Handel und Gastronomie. In einem systemischen Verständnis müssen hier aber auch Maßnahmen gegen Verschwendung im Rahmen der industriell normierten Lebensmittelproduktion und eines auf uneingeschränkte Verfügbarkeit ausgerichteten Vertriebs- und Vermarktungssystems gefordert werden.

Lebensmittelspenden als Maßnahme zur Abfallvermeidung sind dort zu begrüßen, wo die Alternative die unmittelbare Entsorgung wäre. Wiederum mit einem Blick auf das Gesamtsystem ist Lebensmittelspenden allerdings eine Produktions- und Konsumweise vorzuziehen, die nicht auf ein Angebot ausgerichtet ist, das den Überschuss bereits einkalkuliert. Lebensmittelspenden laufen in diesem Zusammenhang Gefahr, systemerhaltend zu wirken.

Die im Gesetzesentwurf angestrebte Erhöhung des Mehrweganteils von Verpackungen ist grundsätzlich zu begrüßen, allerdings scheinen uns Differenzierungen notwendig:
Die Komplexität von Ökobilanzen einzelner Produkte und ihrer Verpackungen erfordert die Berücksichtigung von weiteren Faktoren wie Regionalität, Lieferwegen, Verpackungsgrößen etc. Mit welchen gesetzlichen Maßnahmen hier gesteuert werden kann, darf in der (weiteren) Diskussion um Verpackungen nicht untergehen. Regulierungen zur Verlagerung der Abfallentsorgung auf die Schiene sind in dieser Hinsicht ein erster begrüßenswerter Schritt.

Dass die angekündigte Einführung eines begleitenden Pfands auf Einwegverpackungen im Entwurf nur beispielhaft enthalten ist, ist sehr bedauerlich, da der positive Effekt eines Pfandsystems auf die Rücklauf- und Recyclingquoten sowohl international als auch etwa in einer österreichischen Studie1 nachgewiesen ist. Mittelfristig ist ein Pfandsystem ohnehin unumgänglich, um die Vorgabe der 90%igen Sammlung von Einwegplastik zu erreichen.

In Anbetracht der Pfandflaschenquote von 80% im Jahr 19952 wirken die im vorliegenden Entwurf vorgesehenen Mehrwegquoten ernüchternd. Hier sind ambitioniertere Zielsetzungen angesichts des dringenden ökologischen Handlungsbedarfs unbedingt notwendig.

Um die Entscheidung für Mehrweg nicht nur der einzelnen Konsument*in im individuellen Einkauf zu überlassen, wäre zudem eine Ausdehnung von Quoten allen voran in der Produktion und im Vertriebsweg auch auf den Online-Handel, die Gastronomie, insbesondere Abholservices und Lieferdienste, und Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung sinnvoll.

Wir unterstützen das Modell der erweiterten Herstellerverantwortung nach dem Verursacherprinzip als Anreizsystem zur Umsetzung der Zielsetzungen der Abfallvermeidung und als richtigen Weg zum Abbau des Steueraufkommens für Strafzahlungen.

Zu diesem Thema möchten wir außerdem auf den eben erschienenen Policy Brief des deutschen Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) "Kunststoffverpackungen vermeiden oder nachhaltig gestalten"3 verweisen.

1 Möglichkeiten zur Umsetzung der EU-Vorgaben betreffend Getränkegebinde, Pfandsysteme und Mehrweg. Im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Wien, Jänner 2020
2 https://www.bmk.gv.at/service/presse/gewessler/20200907_3punkteplan.html
3 https://www.isoe.de/aktuelles/news/detail-all/news/kunststoffverpackungen-vermeiden-oder-nachhaltig-gestalten/

Nach oben