Vernetzen, verstehen, verändern – der Ernährungsrat Wien ist offiziell gegründet!
Gründungsveranstaltung am 29. November 2018
Mit der gut besuchten Gründungsveranstaltung am 29. November 2018 in der Sky Lounge mit Panoramablick auf die Stadt wurde der Ernährungsrat Wien feierlich gegründet. Das Interesse und der Zuspruch von über 80 Personen aus den unterschiedlichsten Bereichen des Ernährungssystems Wien waren überwältigend.
Die Gründungsveranstaltung wurde organisiert von der Initiative zur Gründung des Ernährungsrates Wien. Dieser zivilgesellschaftliche Zusammenschluss engagierter Menschen möchte den Ernährungsrat als passendes Instrument nutzen, um auf eine lokal koordinierte Ernährungspolitik, die das gesamte Ernährungssystem umfasst, hinzuwirken. Seit 2016 arbeitet eine kleine Gruppe an der Vernetzung mit relevanten Akteurinnen und Akteuren und kann schon jetzt auf eine intensive Zeit des Zusammenbringens und Vernetzens von Wissen, Erfahrungen und Erkenntnissen zurückblicken.
Das gemeinsame Ziel von Ernährungsräten ist es, Erfahrungen, Interessen, Kreativität und das Wissen möglichst vieler Akteure des lokalen Ernährungssystems – von LandwirtInnen bis zu VerbraucherInnen, zivilgesellschaftliche Organisationen und der Stadtverwaltung – an einen Tisch zu holen. Dabei sollen neue Lösungen und Handlungsansätze für eine lokale Ernährungspolitik gefunden werden. Gemeinsam wird daran gearbeitet, den notwendigen Wandel des städtischen Ernährungssystems anzugehen und zu einem ökologisch zukunftsfähigen und sozial gerechten Ernährungssystem beizutragen. Das Aktionsgebiet eines Ernährungsrates bildet die jeweilige Stadt und ihr Umland, gleichzeitig werden die globalen Zusammenhänge in denen sich Ernährungssysteme heute aufspannen thematisiert. Die international vernetzten Ernährungsräte bilden ein Gegengewicht zur wachsenden globalen Macht- und Einflusskonzentration transnationaler Konzerne. Durch ihre Arbeit bieten sie BürgerInnen eine langfristige Möglichkeit, sich im lokalen Kontext aktiv an der Gestaltung des Ernährungssystems beteiligen können.
Die Stadt Wien zu der auch über die Wiener Umweltschutzabteilung bereits gute Kontakte aufgebaut werden konnten, begrüßt die Gründung des Ernährungsrates, unter anderem da sie gemeinsam mit vielen anderen Städten weltweit den Milan Urban Food Policy Pact unterschrieben hat. Hier verpflichtet sich die Stadtverwaltung daran zu arbeiten, „nachhaltige Ernährungssysteme zu entwickeln, die integrativ, resilient, sicher und diversifiziert sind, die gesunde und erschwingliche Lebensmittel für alle Menschen in einem menschenrechtsbasierten Rahmen bereitstellen, die Abfall minimieren und die Biodiversität bewahren und die zugleich angepasst sind an die Auswirkungen des Klimawandelsund diese abschwächen.“
Auch der bekannte deutsche Dokumentarfilmer und Gründer des Kölner Ernährungsrates Valentin Thurn (bekannt unteranderem durch die Filme Taste the Waste (2011) oder 10 Milliarden – Wie werden wir alle satt? (2015)) begrüßt die Entwicklungen in Wien und bekräftigte mit seiner Videobotschaft das Potenzial einer institutionalisierten Dialogplattform im städtischen Ernährungssystem. Auch verwies er auf die Notwendigkeit der Unterstützung durch die Stadt, um langfristige und wirksame Strukturen aufrechtzuerhalten. In Deutschland gibt es bereits zwölf aktive Ernährungsräte sowie viele weitere in Gründung. Auch die Erfahrung von denen er berichten konnte, zeigten, wie wichtig Ernährungsräte für eine Ernährungswende auf lokaler, städtischer Ebene sind.
Eindrucksvoll schilderte auch Lea Kliem, Sprecherin des Ernährungsrates Berlin, die Erfahrungen und erste Erfolge aus der deutschen Hauptstadt. Seit 2015 sind hier AktivistInnen und UnterstützerInnen rund um Berlin-Brandenburg aktiv. Ihr SprecherInnenkreis von 12 Personen umfasst unterschiedlichste Bereiche. JournalistInnen, Food AktivistInnen, LandwirtInnen, StadtgärtnerInnen aber auch Nachhaltigkeitsengagierte aus unterschiedlichen Kulturkreisen die sich aktiv für ein nachhaltiges Ernährungssystem in Berlin einsetzen. Dadurch haben sie unter anderem schon erreicht, dass die Berliner Regierungskoalition im Koalitionsvertrag festgelegt hat, dass sie gemeinsam mit dem Berliner Ernährungsrat u.a. eine zukunftsfähige, regional gedachte Berliner Ernährungsstrategie entwickelt. Ein konkretes Leuchtturmprojekt das vorgestellt wurde, ist die Regiowoche. Initiiert vom Ernährungsrat Berlin und gemeinsam mit dem Verband der Berliner und Brandenburger Schulcaterer wurde für eine Woche an über 200 Berliner Schulen bio-regionales Essen serviert. Parallel dazu gab es Bildungsmodule zu den Themen Tierwohl, Tierfutter, Saisonalität und Handwerk. (weitere Infos unter http://www.regiowoche.berlin). Eine zentrale Botschaft an den Wiener Ernährungsrat war, dass auch ohne große Pläne für die Anfangszeit aber mit einem hohen Ziel vor Augen, konkrete, aber „ungeplante“ Erfolge verzeichnet werden können.
Im Anschluss berichteten drei der GründerInnen des Ernährungsrates Wien, was sich bisher in Wien und rund um die Gründungsinitiative getan hat. Den Anfang machte eine Bestandsaufnahme des Ernährungssystems Wien und Umland, die in unterschiedlichen Arbeitsgruppen der Initiative (zum Beispiel im Bereich Produktion, Abfall, Bildung oder Logistik) erarbeitet wurde. Ziel war es, sich einen ersten Überblick über das „Arbeitsumfeld“ des Wiener Ernährungsrates zu verschaffen. Im weiteren Prozess wurde eine gemeinsame Vision und Mission erarbeitet. Angepasst an diese, wurde die angedachte Struktur entwickelt, die einen effizienten Rahmen und eine leicht zugängliche Plattform für BürgerInnen ermöglichen soll. Diesen ersten Entwurf werdet ihr bald auf unserer Website finden.
Die Vorstellung des Ernährungsrates Wien endete in einer Darstellung erster konkreter Projekte und der Herangehensweise an die zu erarbeitende Ernährungsstrategie. Diese soll die inhaltliche Klammer für eine koordinierte, partizipative und langfristige Gestaltung eines sozial gerechten und ökologisch zukunftsfähigen Ernährungssystems für Wien sein.
Natürlich wurde die Gründungsfeier auch gleich für die Vernetzung genutzt um sich in lockerer Atmosphäre über mögliche zukünftige Projektideen auszutauschen. Darunter auch schon ganz konkrete, wie z.B. eine virtuelle Karte „für ein nachhaltiges Ernährungssystem in Wien“.
Wir möchten uns bei ÖH BOKU, Südwind und dem Forschungsprojekt „Future of Urban Food“ bedanken, die uns bei der Gründungsfeier unterstützt haben.
Desweiteren bedanken wir uns sehr herzlich bei folgenden Organisationen, die das Vernetzen in gemütlicher Atmosphäre ermöglicht haben: Bio-Weingut Ettl (www.bioweingut-ettl.at), Bio-Hof Adamah (https://www.adamah.at/), Holzofenbäckerei Gragger (www.gragger.at/), Gärtnerei Bioschanze (https://www.bioschanze.at/), Unverschwendet (https://www.unverschwendet.at/), Gugumuck (https://gugumuck.com/), ZIRP Insects (https://www.zirpinsects.com) und Hut und Stiel (www.hutundstiel.at/).
Wie geht es nun weiter? Mehr Informationen über die Nachfolgeveranstaltung "Vom Reden ins Tun" am 22.01.2019 findest du hier.