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Trotz der lokal sehr unterschiedlichen Ausprägungen und dem Fehlen einer einheitlichen Definition, kann man Ernährungsräte als Vernetzungs-Plattform zur Gestaltung eines zukunftsfähigen und nachhaltigen Ernährungssystems beschreiben. Das gemeinsame Ziel von Ernährungsräten ist es, die Erfahrungen, Interessen, Kreativität und das Wissen möglichst vieler Akteure des lokalen Ernährungssystems – von LandwirtInnen bis zu VerbraucherInnen – an einen Tisch zu holen, um neue Lösungen und Handlungsansätze für eine lokale Ernährungspolitik zu finden. Gemeinsam wird daran gearbeitet, den notwendigen Wandel des städtischen Ernährungssystems anzugehen und zu einem ökologisch zukunftsfähigen und sozial gerechten Ernährungssystem beizutragen.
Das Aktionsgebiet eines Ernährungsrates bildet die jeweilige Stadt und ihr Umland, gleichzeitig vernetzen sich solche Initiativen international. Zusammen bilden sie ein Gegengewicht zur wachsenden globalen Konzernmacht und bieten KonsumentInnen und kleinen ProduzentInnen die Möglichkeit sich aktiv an der Gestaltung des Ernährungssystems zu beteiligen. Darüber hinaus werden auch Verbindungen zu anderen Bereichen hergestellt, die mit Ernährung und Lebensmitteln zusammenhängen, z.B. Gesundheit, Bildung und Flächennutzung - nur um ein paar zu nennen.
Durch eine umfassende und offene Herangehensweise werden Handlungsspielräume aufgedeckt und ausgebaut, wodurch langfristig das Ernährungssystem gestaltet und in eine sozial gerechte und umweltverträgliche Zukunft weiterentwickelt werden kann. Ziel ist es Lebensmittel und Ernährung zu einem verbindenden und zentralen Element in der Stadtpolitik zu machen!
Weitere Informationen:
- Eine kurze Erklärung als Video.
- Speiseräume Blog: Allgemeine Informationen zu Ernährungsräten, warum es sie braucht, wo und wie sie entstanden sind und Tipps zu guter Literatur.
- Netzwerk der deutschsprachigen Ernährungsrate: Ein Zusammenschluss der deutschsprachigen Ernährungsräte.
- Handbuch "Unser Essen mitgestalten!“: Eine Leseempfehlung für alle, die mehr zum Hintergrund, bestehenden Ernährungsräten (zum Beispiel in den USA oder Brasilien) oder Unterschieden von Ernährungsräten wissen wollen oder - informiert durch praktische Hinweise und konkrete Tipps - selbst einen Ernährungsrat gründen wollen.
- INKOTA netzwerk
Derzeit werden ernährungspolitisch relevante Entscheidungen (wie Lebensmittel erzeugt, gehandelt, verzehrt oder entsorgt werden) meist auf nationaler und transnationaler Ebene getroffen und häufig bestimmen Agrarkonzerne und Lebensmittelketten, was auf unsere Teller kommt. Während Städte zusehends ausschliesslich zu Orten des Konsums werden, geht die direkte Verbindung zwischen Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln und den Städten und ihren BürgerInnen immer mehr verloren.
Hier setzen Ernährungsräte an, indem sie daran arbeiten, Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zur Mitbestimmung in Ernährungs- und Lebensmittelfragen zu geben.
Hinzu kommt, dass Ernährungsthemen auf städtischer Ebene (z.B. Gesundheit, Vermarktung, Flächennutzung und -konkurrenz, Abfallaufkommen oder Höfesterben) von verschiedenen Institutionen und Einrichtungen isoliert angegangen werden und eine koordinierte Vorgehensweise fehlt. So werden Potentiale für lokale Produktion und Vermarktung nicht ausgeschöpft und eine sozial und ökologisch nachhaltige Stadt-Umland-Versorgung nicht systematisch gedacht. Hier setzt die Forderung nach einer lokal koordinierten Ernährungspolitik, die das gesamte Ernährungssystem umfasst, an.
Ein Ernährungsrat bietet geeignete Instrumente, um dem nachzukommen. Deshalb verfolgen Ernährungsräte eine ganzheitliche Herangehensweise und arbeiten disziplin- und sektorenübergreifend, kooperativ für ein relokalisiertes und zukunftsfähiges Ernährungssystem. Indem unterschiedliche, sich ergänzende Sichtweisen an einen Tisch geholt werden, lassen Ernährungsräte gemeinschaftliches politisches Handeln Realität werden.
Quelle und weitere Informationen: Stierand, Philipp: Speiseräume: die Ernährungswende beginnt in der Stadt
Der Ernährungsrat Wien ist eine dynamische Vernetzungsplattform und lädt alle ein, die sich für ein sozial gerechtes und ökologisch zukunftsfähiges Ernährungssystem für Wien und Umgebung einsetzen wollen, sich einzubringen.
Du findest es wichtig, dass es mehr lokales und regionales, sozial gerecht und ökologisch produziertes Essen in den Wiener Großküchen gibt? Dass Bildung und Bewusstsein zu nachhaltiger Ernährung, die Menschen, die hinter den Prozessen stehen und die Auswirkungen unserer Ernährung in Schulen, Kindergärten und der Öffentlichkeit mehr Beachtung finden? Du möchtest dich für die Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und -verarbeitung innerhalb der Stadt Wien und im Umland einsetzen oder nachhaltige Versorgungswege wie FoodCoops oder Solidarische Landwirtschaft aus ihren Nischen holen?
Ob du als Privatperson deine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen einbringen möchtest, oder durch deine Organisation, deinen beruflichen Hintergrund oder Initiative angetrieben bist, spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass du unsere Vision teilst und gemeinsam mit uns etwas verändern möchtest. Nimm einfach Kontakt mit uns auf und wir finden den passenden Platz für dich!
Wir sind ein zivilgesellschaftlicher Zusammenschluss engagierter Menschen, der sich im Herbst 2016 mit dem Ziel einen Ernährungsrat für Wien zu gründen, zum ersten Mal zusammenfand. Inspiriert von Erfahrungen aus Deutschland machten wir uns auf den Weg und erarbeiteten in einem offenen, demokratischen Entscheidungsprozess Ziele, Leitlinien und mögliche Struktur des Ernährungsrates Wien. Neben konzeptionellen Vorarbeiten setzten wir uns durch eine erste Bestandsaufnahme mit den verschiedenen Bereichen des Wiener Ernährungssystems, von der Produktion bis zum Abfall, auseinander. Nicht zuletzt arbeiteten wir an der Vernetzung mit relevanten Akteurinnen und Akteuren unter anderem aus Verwaltung, Produktion, Entsorgung, sozialen Organisationen und dem Handel. Schon jetzt können wir auf eine intensive Zeit des Zusammenbringens und Vernetzens von Wissen, Erfahrungen und Erkenntnissen zurückblicken.
Im Ernährungsrat engagieren sich ehrenamtlich tätige Personen. Ohne ihren Einsatz und ihr Engagement, wäre die Arbeit des Ernährungsrates nicht möglich. Für einzelne konkrete Projekte wurden bereits erfolgreich Mittel eingeworben. Wir legen dabei großen Wert darauf, dass unsere Finanzierungsquellen nicht im Widerspruch zu unserer Vision stehen. An einer langfristigen Finanzierung, die einen stabilen Einsatz des Ernährungsrates für ein demokratischeres Ernährungssystem möglich macht, wird gearbeitet.
Wir wollen das Ernährungssystem in der Wiener Stadt-Region verändern, und dabei kommt natürlich dem Dialog mit der Stadt Wien und ihren verschiedenen AkteurInnen eine wichtige Rolle zu. Viele Kompetenzen und Hebel im Lebensmittelbereich liegen bei der Stadt, und einige wichtige Bemühungen diese in Gang zu setzten wurden bereits unternommen. In anderen Bereichen sind Potenziale nicht genutzt oder Bedürfnisse nicht wahrgenommen. Um das anzugehen forcieren wir einen aktiven Dialog zwischen Politik, Verwaltung, Erzeuger*innen, Vertrieb und den Verbraucher*innen, um so langfristig und nachhaltig die Strukturen der Lebensmittelversorgung zu verbessern.
Die sperrige Abkürzung MUFPP (Milan Urban Food Policy Pact) bezeichnet das Mailänder Abkommen für städtische Ernährungspolitik, das 2015 auf der Expo in Mailand vom ehemaligen Bürgermeister der Stadt Wien unterzeichnet wurde. Bereits über 200 Städte weltweit (Stand Okt. 2019) haben das Abkommen unterschrieben und sich damit verpflichtet, aktiv an der Entwicklung nachhaltiger, städtischer Ernährungssysteme zu arbeiten. Um einen integrativen, resilienten, sicheren und diversen Ansatz sicherzustellen, ist die enge Kooperation mit Ernährungsräten in vielen Städten das Mittel der Wahl.
Das Konzept „Ernährungsrat“ (Food Policy Council) stammt ursprünglich aus dem angelsächsischen Raum; der erste Ernährungsrat wurde 1982 in Knoxville gegründet. Im deutschsprachigen Raum sind Ernährungsräte noch ein recht junges aber rasant wachsendes Phänomen. Hier findest du einen kurzen historischen Aufriss für Deutschland.
Hier gibt es Infos zu Ernährungsräten in Europa.
Hier gibt es Infos zu Food Policy Councils in den USA.
Und hier ein paar Beispiele: Berlin, Köln, Toronto, und viele mehr.
Ernährungsräte haben in verschiedenen Städten weltweit dazu geführt, dass Menschen zusammenkommen, um gemeinsam für eine nachhaltigere Lebensmittelversorgung in ihrer Region aktiv zu werden. Damit haben Ernährungsräte sowohl die einzelnen Personen ermächtigt, als auch zu mehr Handlungsspielräumen und damit einer Demokratisierung des Ernährungssystems beigetragen – besonders in Städten, in denen es gelungen ist, einen aktiven Dialog zwischen der Stadtverwaltung und der Zivilgesellschaft zu führen.
In mehreren Städten sind dadurch auch schon konkrete Ernährungsstrategien entstanden. In derartigen politisch legitimierten Strategien wurden Impulse aus der Gesellschaft, Wirtschaft und anderen AkteurInnen des Ernährungssystems aufgegriffen, und in einen langfristig angelegten Plan, der Visionen, Ziele und Maßnahmen enthält, umgesetzt. Dieser soll dann den Weg in ein nachhaltigeres urbanes Ernährungssystem ebnen.
Neben systemischen Veränderungen bringen Ernährungsräte konkrete Projekte in ihrem jeweiligen (urbanen) Umfeld voran. So haben sich vielerorts bereits „Essbare Städte“ etabliert und es wird mit Stadtverwaltungen und Trägerverbänden an Projekten für mehr regionale, gesunde Mittagessen in Kitas und Schulen gearbeitet. Im Rahmen einer Regiowoche hat der Ernährungsrat Berlin gemeinsam mit dem Verband der Berliner und Brandenburger Schul-Caterer für eine Woche an über 200 Berliner Schulen bio-regionales Essen serviert und dabei den Themen Tierwohl, Tierfutter, Saisonalität und Handwerk besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Aufgrund ihrer längeren Geschichte können Ernährungsräte im englischsprachigen Raum eine Vielzahl an erfolgreichen Aktivitäten vorweisen. Ein beeindruckendes Beispiel ist das Projekt „Feeding Diversity“, durch das in kulturell diversen Gemeinden Torontos „exotische“ aber an die natürlichen Bedingungen angepasste Lebensmittel angebaut und gemeinsam geerntet werden. Als anderes erfolgreiches Projekt ist das „Healthy Neigborhood Market Network“ in Los Angeles zu nennen. Es dient der Sicherstellung des Zugangs zu frischen, gesunden Lebensmitteln unabhängig vom sozialen Hintergrund, der Herkunft und Wohngegend.